Eine kreative und ereignisreiche Reise um die Welt von Super Mario
Das Jahr 1997 war für mich eindeutig eines der einprägsamsten Videospieljahre. Mit der Veröffentlichung des Nintendo 64 brach mit dem 3D-Zeitalter eine neue Ära in der Nintendo-Welt an. Denn die hauseigenen Entwickler, wie Miyamoto & Co, portierten erstmals die wichtigsten Charaktere und Marken von der bisherigen 2D-Welt in die dritte Dimension. Super Mario war natürlich mit von der Partie, schließlich ist er das wichtigste Aushängeschild der japanischen Spieleschmiede. Mit Super Mario 64 offenbarte sich ein komplett neues Spielerlebnis und unendlich viele neue Möglichkeiten. Fortan entwickelte man mit Super Mario Sunshine das ursprüngliche Sandboxähnliche Konzept weiter und reduzierte es letztendlich durch mehr Linearität in der Galaxy-Reihe und in Super Mario 3D World immer weiter herunter. Was viele Fans zunehmend kritisierten.
Nun erscheint morgen am 27.10.2017 das nächste große Super Mario-Abenteuer, das sehnsuchtsvoll von der Fangemeinde erwartet wird. Besonders weil es laut den Entwicklern zum Urprinzip der 3D-Marios zurückkehren möchte und es wohl das wichtigste Videospiel für die noch frische Nintendo Switch in diesem Jahr ist. Super Mario Odyssey soll die aktuelle Erfolgswelle der Hybridkonsole weiter untermauern. Wir haben für euch den diesjährigen Weihnachtskracher in den letzten zwei Wochen ausgiebig getestet.
Auch in diesem Mario-Abenteuer kehrt Widersacher Bowser zurück und entführt Prinzessin Peach zum gefühlt hundertsten Male. Doch dieses Mal ist es keine simple Entführung, sondern eine sehr minutiös geplante Zwangsheirat. Da der König der Koopas primär mit der Flucht vor unserem Superklempner beschäftigt ist und mit seinem fliegenden Piratenschiff um einen Fantasieglobus über die Wolken zur Hochzeitszeremonie gleitet, bekommt er Unterstützung von einer Weddingplaner-Hasenfamilie. Die sogenannten „Broodals“ sind fiese Zeitgenossen, die zusammen mit Bowser in den zahlreichen Ländern das benötigte Hochzeitsequipment ausbaldowern. Sie stehlen unter anderem Blumen, den Hochzeitsschmuck, das Hochzeitskleid oder die Torte. Ihr eifert der gemeinen Truppe hinterher, die euch während dieser Odyssee des Öfteren als Minibosse begegnen wird.
Da Bowser bei der Entführung der Prinzessin Marios Originalmütze geschreddert hat, ist unser Latzhosenträger nicht nur ohne Frau, sondern nun auch ohne Mütze. Welch schrecklicher und erbärmlicher Zustand für einen gestandenen Mann. Weil der königliche Fiesling als erstes einen schneeweißen Zylinderhut im Hutland entwendet, beginnt eure Reise auch in diesem Land. Dort sind die Kopfbedeckungen lebendig, weshalb sich recht schnell ein völlig neuer Wegbegleiter zu euch gesellt. Mario ist also ab sofort nicht mehr hutlos und auch nicht mehr allein. Mit "Cappy" bekommt Super Mario brandneue Moves, einen unendlich verfügbaren Bumerang als Primärwaffe und die Möglichkeit in andere Gegner zu schlüpfen. Genau diese beiden neuen Gameplayelemente machen Mario fast schon übermächtig. Die vielfältigen und extrem intuitiven Steuerungsmöglichkeiten machen zwar mega Spaß, sind allerdings zeitgleich auch ein Manko in mehrerlei Hinsicht. Cappy ist immer verfügbar, Cappy kann so gut wie jeden Gegner vernichten und mit Cappy kann Mario in die Haut der Feinde schlüpfen. Die vielen Gegner sind somit fast schon als Hindernis obsolet und dienen eher als Blaupause, um sie für die eigenen Geschicklichkeitsübungen zu nutzen. Ihr verwandelt euch in alles Mögliche. Mario wird zum Beispiel zum Frosch, zur Rakete, zum fünffachen Gumba-Stapel, zum gigantischen T-Rex, zum bekannten Kettenhund, zum Auto oder sogar zum riesigen Rinderfilet. Der Rollentausch schraubt den Schwierigkeitsgrad erheblich nach unten, da man quasi jedes Problem mit Cappy löst. Abgesehen davon ist die Steuerung in Odyssey ein wahres Gedicht. Ihr habt den Helden zu jeder Sekunde im Griff und es macht unendlich viel Spaß umher zu springen, die Wände zu erklimmen und die unzähligen Gegnerfähigkeiten für euch zu nutzen.
Ihr spielt in der von Nintendo empfohlenen Joy-Con-Variante, per Nintendo Switch Pro Controller oder direkt im Handheld-Modus der Switch. In der letzteren Spielart offenbart sich das nächste kleine Cappy-Dilemma: Einige wenige Specialmoves, wie beispielsweise der Cappy-Wurf nach oben oder unten, erfolgen weitgehend über die Bewegungssteuerung. Die Fuchtelsteuerung ist im Handheld-Modus mit angedockten Joy-Con aber nicht möglich. Das hat natürlich auch Nintendo erkannt und die Gewichtung der Sonderfähigkeiten entsprechend auf die zweite Stufe degradiert. So erleichtern sie viele Situationen, aber ihr braucht sie in der Regel nicht. Deshalb sind alle wirklich wichtigen Moves über das klassische Controller-Layout abrufbar. Trotzdem wird die Bewegungskontrolle seitens der Entwickler direkt zu Beginn des Spiels sehr vordergründig als bestes Spielerlebnis propagiert. Wer eine komplette Übersicht der Steuerungsvielfalt benötigt, bekommt diese von Nintendo per Minivideos innerhalb des Spiels und noch ausführlicher im Pausemenü erklärt. Neben der üblichen Steuerung könnt ihr noch einen sogenannten Schnappschuss-Modus aufrufen, der mehr als die übliche Screenshot-Funktion der Nintendo Switch kann. Hier stehen unter anderem Fotofilter und einen einstellbaren Zoom zur Verfügung.
Wer nicht alleine die Reise angehen möchte, darf auch zu zweit im lokalen Kooperationsmodus das gesamte Abenteuer bestreiten. Einer steuert Mario und der zweite Spieler Cappy. Es ist zwar kein gleichberechtigter Koop-Modus, da Cappy zwangsläufig an Super Mario gebunden ist, aber er macht richtig Spaß. Nur die Koordination zwischen den beiden Zockern erfordert ein wenig Eingewöhnung, auch wenn der Hauptspieler mit Mario eindeutig die Richtung vorgibt.
Nach der äußerst eindrucksvollen und sehr cineastischen Eingangssequenz landet ihr auch schon in der ersten Welt, die als eine Art unterschwelliges Tutorial dient. Nintendo hat es einfach drauf, mühelos und unbemerkt den Spieler in das Gameplay einzuführen. Viele werden es nicht mal merken wie sie die zahlreichen Fähigkeiten dazu lernen.
Zwischen den Ländern bekommt ihr die Weltkugel zu sehen, auf der eine strikte Linie entsteht, die sich von Land zu Land hangelt. Es gibt in Super Mario Odyssey keine klassische Oberwelt, wie in den alten Mariospielen und auch keine freie Oberwelt, wie in Super Mario 64. Was ich etwas schade finde. Stattdessen fliegt ihr mit eurem hutartigen Luftschiff, der „Odyssey“, linear zum nächsten Land. Für die dafür erforderliche Antriebsenergie benötigt ihr immer eine vorgegebene Mindestanzahl von Monden, die ihr überall in den Ländern findet. Durchschnittlich müsst ihr hierfür zwischen 10-20 einsammeln. Und im Gegensatz zu den Sternen in Super Mario 64, springt ihr nicht bei jedem Mond aus dem jeweiligen Land. Ihr sucht somit ungebrochen weiter, was das Gameplay enorm beschleunigt. Die Länder beherbergen allerdings meist die 3-4-fache Anzahl von Monden und kleinere Bonuslevel bei denen der Schwierigkeitsgrad etwas nach oben geschraubt wird. Auch sind einige Monde schwierig zu finden oder zu erreichen. Und hier merkt man schnell auch einen neuen Ansatz den Nintendo in Odyssey verfolgt. Die Geschicklichkeitselemente wurden mehr denn je zurückgenommen und der Sammelwahn in den Vordergrund gerückt. Manche werden diesen Aspekt vielleicht etwas öde finden, Jäger und Sammler aber wird es euphorisch stimmen. Eben eine Geschmacksfrage. Ich persönlich hätte beides gerne mehr in Balance, was auch sicherlich von Nintendo so gewollt war.
Die insgesamt über 13 Länder könnten nicht unterschiedlicher sein. Es gibt sehr freie und sehr große Areale, wie das Wüstenland oder Cityland, sehr lineare Welten, die zeitweise vom Aufbau an Super Mario 3D World erinnern und einige, die irgendwo zwischendrin angesiedelt sind. Wobei man hier auch sagen muss, dass immer eine lineare Struktur für den Ablauf vorgegeben ist. Ihr sucht also Monde oder folgt der Geschichte, oder kombiniert beides. Letzteres habe ich während der Testphase gemacht. Ich hatte immer 10-20% mehr Monde als nötig eingesackt und hier und da ein paar Geheimnisse entdeckt. Neben den Monden sammelt ihr in jedem Land eine eigene Währung ein, die ihr in den jeweiligen Shops gegen Souvenirs und unzählige Kleidungsstücke eintauscht. Mario in neue Kostüme schlüpfen zu lassen, macht ordentlich Spaß.
An jedem Ende eines Landes erwartet euch ein Miniboss, den es zu besiegen gilt. Die Mechaniken der Bosse kommen einem sehr bekannt vor. Als leidenschaftlicher Super Mario Galaxy-Spieler wusste ich sofort, was ich machen musste. Ihr wisst ja, dreimal auf die Birne und der Gegner gibt den Geist auf. Trotzdem gibt es auch hier etwas kreativere Ausnahmen, die zwar nichts am Grundprinzip ändern, aber für ein bisschen mehr Herausforderung als üblich sorgen. Leider sind aber fast alle Bosse ein mehr als leichtes Unterfangen.
Natürlich sind die Welten voller Geschicklichkeitsmechaniken, wie man sie aus der Super Mario 3D-Serie kennt. Ihr hüpft über sich bewegende Plattformen, springt auf Bäume, klettert in die Höhe und überwindet in unterschiedlicher Form die eine oder andere Schlucht. Vieles kommt einem sehr bekannt vor, schließlich kann man das Rad mittlerweile auch nicht mehr neu erfinden. Allerdings werden die bekannten Mechaniken durch den Rollentausch in die Gegnerschaft ordentlich aufgepeppt. Neu sind auch die kleinen 8-Bit-Einlagen, bei denen ihr zwischendurch in die altehrwürdige NES-Welt eintaucht und einen Abschnitt in Retro-Optik genießt. Generell muss man aber sagen, dass die eigentliche Herausforderung bei den Sprungeinlagen vom Schwierigskeitsgrad und auch in der Anzahl reduziert wurde. Nur sehr selten verliert man den Boden unter den Füßen, um erneut Anlauf zu nehmen.
Bis zum Endkampf gegen Bowser vergingen bei mir persönlich ungefähr 12 Stunden. Sucht man alle Monde, wird locker das dreifache an Zeit beansprucht, aber das könnt ihr auch noch nach dem eigentlichen Ablauf machen. Dazu kommt nach dem Ende noch eine enorm gigantische Überraschung, die mindestens nochmals locker drei Stunden Spielspaß verspricht. Generell muss man allerdings beachten, dass es kein echtes Game Over und auch keine Leben mehr gibt. Ist eure Energie am Ende, verliert ihr einige Münzen und landet am letzten Checkpoint. Wem das noch nicht einfach genug ist, der kann beim Start des Abenteuers noch einen „Einfachen Modus“ wählen, der euch per Navigation den genauen Weg vorgibt.
Damit die Übersicht gewahrt wird, könnt ihr zu jeder Zeit über die Minus-Taste eine Übersichtskarte aufrufen, auf der ihr alle Speicherpunkte, das nächste Ziel, euren Standort und weitere Infos einsehen könnt. Einige Hinweise und Hintergrundinfos dürft ihr hier auch durchlesen. Die Checkpoints innerhalb eines Levels wählt ihr auf der interaktiven Karte an, um direkt dorthin zu reisen. Oben drauf könnt ihr euch in der Listenübersicht Errungenschaften bei der Anzahl der Monde, Caperungen, Souvenirs und alle Musikstücke aufrufen. Die gesamte Karte und ihre Funktionalität erinnert an The Legend of Zelda: Breath of the Wild.
Bei Setting, Design, Abwechslung und Mut setzt Nintendo völlig neue Maßstäbe. Jede Welt ist in punkto Kreativität und Erscheinungsbild ein Kunstwerk für sich. Bei den Settings könnte ich stundenlang schwärmen. Ich garantiere euch mehrere Überraschungen, die eure Kinnlade in den Keller sausen lassen. Es gibt einige Momente, die sämtliche bisherigen Franchise-Grenzen des Mario-Universums gnadenlos sprengen. Genau hiervon lebt das Spiel am meisten. Aber auch viele Situationen, die eine liebevolle Hommage an alte Mario-Titel darstellen. Besonders das große Finale ist der Wahnsinn. Ihr dürft gespannt sein!
Auch technisch ist Super Mario Odyssey die neue Messlatte auf der Nintendo Switch. Die bisherigen Videos und Demos, die ich im Vorfeld gesehen und gezockt hatte, haben mich wenig beeindruckt, das feingeschliffene Endprodukt ist allerdings ein wahres Glanzstück. Alleine die Wasser-, Licht- und Wettereffekte sowie Texturen sind der Wahnsinn. Die Framerate und die gesamte Optik ist durchgehend flüssig sowie perfektioniert und sieht sowohl auf dem Fernseher als auch auf dem kleinen Nintendo Switch-Bildschirm wahnsinnig gut aus. Musikalisch ist der Soundtrack auf Galaxy-Niveau und so gut wie immer von einem fulminanten Orchester eingespielt. Alte und neue Melodien paaren sich zu einem mehr als geilen Musikspektakel. Aber auch elektrophile Elemente haben es in das Abenteuer geschafft. Generell ist die stetig aufbauende Spannung ein Sound-Sog, dem sich kein Videospielfan entziehen kann. Besonders das gesungene Lied "Jump Up, Super Star!" erobert derzeit die iTunes-Charts dieser Welt. Den Song könnt ihr euch übrigens vorab auf der offiziellen Microsite von Super Mario Odyseey herunterladen.
Unser Fazit
9
Geniales Spiel