Hallo Leserinnen und Leser! In den Blickwinkel-Artikeln hier auf ntower erhalten Mitglieder der Redaktion die Möglichkeit, einmal ganz persönlich über aktuelle, kontroverse und heiß diskutierte Themen aus der Videospielwelt zu sprechen. Die Autoren vertreten dabei ihre ganz eigene Meinung, die nicht die Ansichten des gesamten Teams widerspiegelt. In diesem Blickwinkel-Artikel geht es um die Spiele-Klassiker des Nintendo Entertainment Systems, die uns Nintendo-Fans immer wieder aufs Neue begegnen.
Ich möchte nicht respektlos sein. Man darf nie vergessen das zu würdigen, was in früheren Zeiten geleistet wurde. Manches wirkt heute unspektakulär, doch damals gab es weniger technische Hilfen oder wissenschaftliche Erkenntnisse. Unzählige Erfindungen und Entdeckungen der Vergangenheit ermöglichen erst unser heutiges Luxusleben, in dem wir es uns leisten können, über Unbedeutendes zu meckern. Die Erfindung der Glühbirne war eine Sensation, auch wenn das Prinzip – sagen wir mal, verglichen mit dem eines modernen Computers – so lächerlich einfach ist, dass sogar ich es im Wesentlichen verstehe. Der erste Motor, die erste medizinische Behandlung, das erste Fahrrad – alles verdient meinen größten Respekt. Und damit eigentlich doch auch die erste Heimkonsole von Nintendo, die der Ausgangspunkt einer unglaublichen Entwicklung war, die auch mein Leben ganz intensiv geprägt hat.
Ich bin auch nicht respektlos! Ich respektiere das NES, seine Spiele und seine Erfinder. Aber trotzdem muss ich langsam sagen: Ich kann es nicht mehr sehen! Obwohl ich das Original nie besessen habe (meine „Karriere“ begann mit dem Game Boy und später dem SNES) läuft mir doch keine Videospiel-Gattung so häufig über den Weg wie das gemeine NES-Spiel. Es begann mit Super Mario All-Stars für das SNES, bei dem die ersten Ausgaben der Reihe Super Mario Bros. zusammengefasst wurden. Das war noch eine Ausnahme und die Branche war klar auf den Fortschritt fixiert – einen Rückspiegel wollte damals niemand. Und dann kam die Virtual Console! Mit der Wii-Konsole begann der technische Entschleunigungs-Trend und die Erkenntnis, dass auch alte Spiele unterhalten können.
Seither tauchen NES-Titel bei gefühlt jeder Gelegenheit wieder auf – ob auf dem Nintendo 3DS (das „Botschafter-Programm“ für frühe Käufer bescherte uns 10 NES-Klassiker als Ausgleich für die frühe Preissenkung der Hardware), auf der Mini-Version der Konsole oder jetzt auf der Nintendo Switch, um das Abonnieren des Online-Dienstes etwas schmackhafter zu machen. Aber ich frage euch, liebe Nintendo Switch-Besitzer und Nintendo Online-Abonnenten: Wie intensiv zockt ihr derzeit NES-Titel? Beantworten kann ich es euch für mich selbst: Ich habe ca. zwei Minuten in zwei Spiele hineingeschaut, dabei festgestellt, dass der Service funktioniert, und das Ganze seither nicht wieder angerührt. Jede Woche erscheinen zahlreiche Indie-Neuheiten, es gibt auf verschiedenen Konsolen sehr interessante aktuelle Titel, die ich teilweise ungespielt hier liegen oder noch gar nicht gekauft habe, und ganz nebenbei mache ich im Leben auch noch andere Dinge als zu zocken. Warum soll ich meine Zeit mit den ollen Kamellen verschwenden?
OK, wenn es brillante Klassiker wären, von denen man nicht genug bekommt, wäre das etwas anders. Aber ganz ehrlich: Das sind sie nicht! Natürlich ist das eine Geschmacksfrage und ich möchte niemandem den Spaß daran nehmen, aber abgesehen von Nostalgie-Gefühlen und Respekt vor dem, was diese Klassiker ausgelöst haben, sind es doch keine wahnsinnig guten Titel. Mir fallen höchstens eine Handvoll NES-Titel ein, die mir überhaupt ein wenig gefallen, wie beispielsweise Super Mario Bros. 3. Aber selbst dieses Spiel wird doch schon vom Nachfolger Super Mario World für das SNES klar in den Schatten gestellt. Die meisten anderen NES-Games sind kaum der Erwähnung wert. Warum werden wir immer wieder mit ihnen konfrontiert? Klar, niemand muss sie spielen. Aber sind sie wirklich Argumente, die uns von einem Abo-Service überzeugen können? Sind es diese Spiele, die wir verlangen, wenn wir Klassiker fordern? Nicht wirklich, auch im Alten wollen wir mal was Neues. Schon die Wii bot Klassiker bis hin zum Nintendo 64, danach wurde die Auswahl immer geringer, obwohl wir eigentlich schon weiter in Richtung GameCube dachten. Nochmal: Ich respektiere das NES, aber für die nächsten 20 Jahre habe ich genug davon! Schickt es in Rente und kümmert euch um ein paar neue Spiel-Ideen, Nintendo! Oder bietet uns zumindest Klassiker einer Hardware-Generation, von der wir wirklich schon lange nichts mehr gesehen haben.
Empfindet ihr das ähnlich wie ich? Fragt ihr euch auch, warum immer wieder NES-Games ausgegraben werden? Seht ihr es als bequeme Geldmacherei an? Oder habt ihr einen völlig anderen Blickwinkel auf das Thema? Ich bin gespannt auf eure Meinungen!